Die Kunst der Selbstvermarktung

…oder wenn alles von ganz alleine läuft

Die Presse kann kaum die Finger von ihm lassen! Außerdem ist Igor Levit einer der präsentesten Künstler in den sozialen Medien. Was das mit Frühstückseiern und der AfD zu tun hat, erzählt er im Interview mit Myriam Rosenkränzer. 

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terzwerk: Herr Levit, auf Twitter kündigen Sie schon mal ein Konzert mit appetitanregenden Bildern an, wie Mozarts A-Dur Klavierkonzert mit Frühstückseiern. Gibt es vor jedem Konzert einen leckeren Frühstückstweet?

Levit: Nein, heute morgen gab es nur die Freude über Bob Dylans Literaturnobelpreis. Ich folge keiner Liste, die ich vor einem Konzert abarbeite, sondern nutze Twitter rein intuitiv.

Twitter: privat und glaubwürdig

terzwerk: Sie twittern viel und nicht nur über sich selbst und Ihre Musik. Ihre Reisen und Ihr Lifestyle können von Fans verfolgt werden. Twittern Sie als Privatperson oder als Künstler?

Levit: Als Privatperson. Nehmen wir das Frühstücksei: Vor sechs Wochen habe ich angefangen zu kochen. Da war dann dieses Spiegelei, eines der ersten Gerichte, dass mir gelungen ist – Ich hab sogar geschafft Pilze zu braten, ohne die Küche in Brand zu setzten. Und da war ich so wahnsinnig stolz, dass ich mit einem Sonnenbrillensmiley “Pre #Mozart488 breakfast” meinen Morgen begonnen habe. Den Follower habe ich dabei aber nie im Kopf.

terzwerk: Anders als viele Musiker sind Sie auf Twitter auch sehr politisch. Sie beziehen beispielsweise klare Stellung gegen Donald Trump oder die AfD. Sehen Sie ihre Position auch als Verpflichtung, politische Themen anzusprechen?

Levit: Für mich ist das eine Frage der Glaubwürdigkeit. Im richtigen Leben rede ich über Politik und deswegen auch auf digitalen Plattformen. Ich kriege Haarausfall, wenn ein Musiker sagt, dass er so viel Klavier üben muss, dass er für so etwas keine Zeit hat. Jeder muss sich äußern, unabhängig von seinem Beruf oder seiner Position.

Wenn Marketing auch so funktioniert

terzwerk: Auf welchen Ebenen vermarkten Sie sich in den sozialen Medien selbst und auf welchen werden Sie vermarktet?

Levit: Das ist keine Kategorie, in der ich jemals gedacht habe. Mein Marketing IMG Artists spielt da keine Rolle. Meine Präsenz in den Sozialen Medien nutze ich nicht strategisch, sondern als Privatperson: Wenn ich ein Konzert auf Twitter ankündige, mache ich das nicht um der Werbung Willen, sondern weil ich mich auf das Konzert freue.

Bei einem Tweet von mir ist dann allerdings die Konsequenz, dass ein paar Stunden später die Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt wird, weil irgendein Medium darüber zu berichten weiß.

Die Macht einer Rezension

© Felix Broede / Sony Classics
© Felix Broede / Sony Classics

terzwerk: Schon mit Anfang 20 wurden Sie in einer Rezension von Eleonore Büning als einer der großen Pianisten des Jahrhunderts bezeichnet. Das war bestimmt eine große Ehre, aber auch ein ziemlicher Druck, oder?

Levit: Klar, das war beides – in Medien bin ich schlagartig bekannt geworden, aber ich war auch noch Student zu der Zeit.

terzwerk: Haben Rezensionen heute noch große Macht?

Levit: Es gibt nicht mehr viele, die Macht haben. Einige Namen können heute noch Einfluss nehmen, aber die meiste Musikkritik kann das heutzutage nicht mehr.

Dann gibt es aber noch die Macht, die ein Musikkritiker auf den Leser ausübt. Es gibt großartige Texte, bei denen der Leser das Gefühl hat, das Konzert selbst erlebt zu haben. Diese Form von Rezension muss geschützt und gefördert werden. Musikkritiken, die für eine Persiflage zu schlecht sind, braucht die Welt nicht.

terzwerk: Bis heute – sechs Jahre nach der Rezension – sind Sie nicht in Vergessenheit geraten. Kaum ein Thema über Bach und Beethoven geht an Ihnen vorbei. Wie erklären Sie sich das anhaltende mediale Interesse?

Levit: Das ist eine gute Frage, auf die ich nur antworten kann: Da müsst ihr andere fragen.

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