Der kleine Oboist im Kleiderschrank

Lärm – Was wären wir ohne ihn? Lärm ist toll. Lärm ist nützlich. Er baut unsere Häuser, putzt unsere Zähne, entsorgt unseren Abfall und bringt unsere Kinder zur Schule. Kurz: Lärm hält die Gesellschaft am Laufen. Würden wir wieder zu Fuß gehen, mit reiner Muskelkraft Stein auf Stein setzen und uns die Hände schmutzig machen – wie schade um den schönen Lärm! Also gießen wir ihn überall aus: Über unsere Wälder, unsere Meere, unsere Himmel, unsere Felder. Auf dass diese erquickende Geräuschkulisse niemals verklingen möge.

Doch leider hat die Sache, wie immer, zwei Seiten. Ausgerechnet immer dann, wenn wir ihn am meisten brauchen, verwandelt sich der Lärm, er wird nutzlos und nervig, als bohrender Blockflötenton, zeternder Geigengraus, tyrannisches Trompetengetröte. So etwas macht krank. Anstatt unseren Rasen zu mähen, bohrt sich diese Sorte Lärm in unser Trommelfell, übertönt den Wohlklang vom Straßenverkehr draußen und das existentielle TV-Gequake drinnen, mit den Lektionen unserer geliebten Daily-Soaps und Quizsendungen. Bis wir irgendwann vor dem Spiegel stehen und erkennen: Gott behüte, uns ist ein Burnout gewachsen…

Gut, dass die Hoffnung immer zuletzt stirbt. Denn unsere Regierung rüstet seit kurzem wieder nach im Kampf gegen derlei Gesundheitsrisiken, Ruhezonen und Spielverbote sollen uns vor den Persönlichkeitsentfaltungen unserer Musiknachbarn schützen. In allen Bundesländern brodelt es, in Bayern ging man, im Augsburger Trompeten-Streit, bis vor den Bundesgerichtshof, und in Thüringen soll ein kleiner Oboist zum Üben in den Kleiderschrank gesperrt worden sein, was wiederum den Kinderschutzbund auf den Plan rief. Lieber Weihnachtsmann, bitte schmeiß Lärmschutzmützen durch den Kamin. Viele.

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