Computer Chaps und Chipmusik

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BitPop und 8-Bit-Partys… was würde Super Mario wohl dazu sagen? Wahrscheinlich „Let’s go! It’s me, Mario!“, so wie immer, mit seinem charakteristischen italienischen Akzent. Darauf kann man sich verlassen. Genauso zuverlässig laufen die alten Spielekonsolen wie C64, Atari 2600 oder NES. Zugegeben, man muss das dreißigste Lebensjahr vermutlich hinter sich gelassen haben, um mit dem Commodore 64 eigene Kindheitserinneringen verbinden zu können. Aber irgendwie sind die Konsolen ja bis heute nicht verschwunden. 1987 hat Nintendo mit dem Spiel „Super Mario Bros.“ für die Konsole „Nintendo Entertainment System“ Geschichte geschrieben. Mario wurde zur bekanntesten Videospielfigur der Welt und ist mittlerweile das Maskottchen des Unternehmens. Die fiependen Melodien kann heute noch jeder auf Anhieb nachsummen.

Aber was ist jetzt BitPop und was sind 8-Bit-Partys? BitPop ist ein Genre elektronischer Musik, das die Soundästhetik von 8-Bit-Computern und Konsolen aufleben lässt. Die Töne werden zum Teil auf den originalen Spielsystemen erzeugt. Dazu muss man sich mit technischen Geräten Zugriff auf den Chip verschaffen, man “hackt” sich sozusagen in die Konsole ein. Weitere analog oder synthetisch erzeugte Klänge werden dem Chip-Sound beigemischt. Auf entsprechenden Partys werden die Retro-Klänge von den Gästen abgefeiert. Entstanden ist das ganze in den 90er Jahren in den USA und dahinter steht eine Szene, die sich aus Computerfritzen („computer chaps“) und Videospielfans zusammensetzt.

Grundlage dieser Musikrichtung sind die Hintergrundmusiken der Videospiele (Chiptunes). Die Bezeichnung 8-Bit-Musik bezieht sich auf die 8-Bit-Prozessoren der damaligen Konsolen. Das Besondere ist, dass der Chip die Töne selbst erzeugt und nicht etwa auf eine vorher gespeicherte Aufnahme von echten Musikinstrumenten zurückgreifen konnte. Ausgegeben werden die Töne durch einen kleinen Lautsprecher im angeschlossenen Fernsehgerät. Die kompositorische Herausforderung der Spieleentwickler liegt darin, mit der Einschränkung auszukommen, dass die Chips nur wenige Klangereignisse zur gleichen Zeit produzieren können. Der Commodore 64 kann zum Beispiel nur drei Töne gleichzeitig hervorbringen. Der Soundchip mit dem Namen „MOS Technoloie SID“ war aufgrund seiner neuen Klangmöglichkeiten eine Sensation und verleitete sogar viele Musiker, den Chip wie einen Synthesizer zu gebrauchen und damit Songs zu kreieren.

Commodore 64
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Die reduzierten Klangmöglichkeiten sind der Grund, warum die Melodien zumeist im Vordergrund stehen. Sie sind so konzipiert, dass sie auch nach hundertfachem Hören nicht langweilig werden. Die Chipmusik der alten Spiele ist reich an Melodien mit Ohrwurm-Potenzial. Interessant ist, wie die Komponisten der Chiptunes mit den reduzierten musikalischen Mitteln umgehen. Akkorde werden meist durch nacheinander erklingende Töne, also Arpeggios, gebildet. Das gleichzeitige Abspielen würde sonst alle verfügbaren Kanäle belegen. Um in der Mehrstimmigkeit noch weitere Klangereignisse einzubauen, werden in die Basstonfolgen Lücken eingebaut, die dann durch eine andere Stimme mit einer anderen Klangfarbe gefüllt werden. Vor die einzelnen Basstöne kann darüber hinaus für den Bruchteil einer Sekunde ein Rauschen gesetzt werden. Dies erzeugt den Eindruck eines Rhythmusinstrumentes. Synkopen, Dissonanzen und Zwischendominanten sind häufige satztechnische Elemente. Oft wird auf herkömmliche Akkordverbindungen zurückgegriffen, wie die aus dem Jazz bekannte III-VI-II-V-I-Progression. Je weiter sich die Konsolen entwickelten, desto komplexer wurden die Arrangements. Beim ersten Super Mario für das NES basiert die Melodie fast ausschließlich auf den zugrundeliegenden Akkordtönen. Was sie so eingängig macht, ist hier der Rhythmus, genau genommen die vielen Off-Beats. Der NES-Chip verfügt über fünf Soundkanäle.

      Super Mario Bros. Theme
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So kreativen Ideen begegnen wir bei den Live-Performances weniger. Musikalisch erinnert es stark an Techno. Bestimmte Videospiele stehen dabei nicht mehr im Vordergrund. Die „8-Bit-DJs“ werden für ihre ausgeklügelten Musiksysteme bewundert, die aus Game Boys und zahlreichen anderen Konsolen bestehen. Tanzbar muss die Musik sein und immer schön schrill. Es ist aber niemandem zu verdenken, dass er die quiekenden Töne nur dann ertragen möchte, wenn das passende Spielerlebnis dazukommt. Vielleicht hätten Mario und sein Bruder Luigi sich doch für bodenständigere Freizeitaktivitäten entschieden als für eine 8-Bit-Party, schließlich sind beide gewissenhafte Klempner.

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