Ein Video für’s Kopfkino

Musikvideos in der Popmusik sind nichts Besonderes. Aber ein Musikvideo mit klassischer Musik? Cellistin Raphaela Gromes und Pianist Julian Riem sind die Protagonisten, das Video ihr Versuch, auf künstlerische Weise auf sich aufmerksam zu machen.

Das Ergebnis: Ein Albtraum.

Das Video trägt den Titel „Cello Nightmare“. Die Geschichte dreht sich um einen fingierten großen Auftritt des Musiker-Duos mit einigen Hindernissen und spielt in München, der Heimatstadt der beiden Musiker.

Hintergrund dieses Videos ist natürlich Aufmerksamkeit. Die beiden haben sich bewusst gegen eine Künstlerseite auf Facebook und Twitter entschieden. Solch eine Seite habe „mit der Kunst, die wir tun, nicht viel zu tun, sondern nur mit der Vermarktung“, meint Raphaela Gromes, „wir finden, so wichtig müssen wir uns nicht nehmen, dass wir vier Mal die Woche etwas von uns posten.“ Interesse wecken und im Gespräch bleiben wollen sie und Julian Riem selbstverständlich trotzdem – über die ungewöhnliche Variante eines Videos, das mit ihnen als Hauptpersonen eine Geschichte erzählen soll.

Welchen Effekt aber soll der Kurzfilm erzielen, mal abgesehen davon, dass die Bekanntheit des Duos steigt? „Wir wollen jüngere Leute ansprechen, ein breiteres Publikum erreichen und den Leuten zeigen: Klassische Musik muss nicht nur auf der Bühne stattfinden und kann auch Geschichten erzählen.“ Diese Geschichten wollen die beiden Musiker anregen und das Publikum zum Weiterdenken animieren, denn Wert legen die beiden auf das, was die Musik mit ihren Rezipienten machen kann.

Kopfkino anregen, wenn das Publikum später tatsächlich im Konzertsaal sitzt“, nennt Gromes das. „Dafür ist Musik da: um anzurühren und Emotionen zu erwecken.”

Zuerst war die Musik, dann die Geschichte. Etwas Stimmiges zu finden, sei gar nicht so einfach gewesen, erzählt Julian Riem. Und vor allem sei nicht alles machbar. Das Video folgt der inhaltlichen Vorlage der Rossini-Oper Der Barbier von Sevilla; ein Teil der Story spielt sich daher im Friseursalon ab – die beiden werden für ihren Auftritt „präpariert“. Entsprechend der musikalischen Anlage und Fortschreitung gestaltet sich die Handlung im Video. Quasi Tango steht in den Noten – im Video kommen Menschen in den Friseursalon und beginnen Tango zu tanzen.

Genau diese Art Entwicklungsprozess hat dazu geführt, dass sich die Story als Albtraum herausstellt: „Die Ideen wurden so abenteuerlich, dass man sie nur noch als Traum erklären konnte“, findet Riem und lacht. Spontan miteinbezogen hätten sie auch die Konzertsaal-Debatte um den Gasteig in München – politische Teilnahme und Provokation inklusive.

Für die Produktion des Filmchens erhielten sie keinerlei Förderung, jedoch habe es sich als glücklich erwiesen, dass sie die Produzentin Marie Reich bereits gekannt haben. Und ohne die Unterstützung von Freunden wäre es sowieso nicht möglich gewesen, meint Gromes. Nicht nur die Karrieren der ausgelasteten Künstler machten die Produktion darüber hinaus etwas langwierig:

Den Saal brauchten sie für die finale Konzertszene, die sie schließlich im Münchner Prinzregententheater aufgezeichnet haben.

Hinter dem eigentlichen „Cello Nightmare“ verbirgt sich ein kaputtes Cello.

Zu Hilfe, wie dreht man das denn?

Ob sie selbst schon mal einen (Cello-)Albtraum in ihrer gemeinsamen Karriere erlebt haben? – Das nicht, aber Raphaela Gromes hat vor einigen Jahren einmal ihre Noten für ein Konzert vergessen. Notgedrungen musste sie auswendig spielen. Diese Situation will sie seitdem ganz einfach umgehen: von vorne herein auswendig spielen. So handhaben sie es auch als Duo. „So kann man viel besser aufeinander eingehen und einander Ideen zuwerfen“, meint Raphaela Gromes. „Am magischsten ist es wenn beide im selben Moment die gleiche Idee haben. Je öfter man ein Stück spielt, desto häufiger passiert so etwas. Man bewegt sich dann ganz frei. Ohne Noten kann man viel mehr auf einander eingehen. Wir wissen, wie wir das Stück gespielt und geprobt haben, dann kann man sich total fallen lassen, dann entstehen die wirklich spannenden Momente – auch für’s Publikum. Man spürt, wie das Publikum ganz anders dabei ist.

Und vielleicht erreichen Gromes und Riem mit ihrem Video ja tatsächlich genau diese Wirkung beim Publikum: Kopfkino.

Kennengelernt haben sich Raphaela Gromes und Julian Riem beim Richard Strauss-Wettbewerb 2012 in München. Gromes gehörte zu den Bewerbern, Riem arbeitete als Korrepetitor. Der Veranstalter wünschte, dass die beiden auch das Preisträgerkonzert zusammen spielten. Ein Mitschnitt davon wurde als Tonträger veröffentlicht. Seitdem tritt das Duo regelmäßig gemeinsam auf, im Januar steht u.a. eine Konzertreise auf der MS Europa nach Hongkong an.

Raphaela Gromes & Julian Riem
Fotos: Christine Schneider

Bei Raphaela Gromes schien der Weg dagegen schon vorgezeichnet. Vater: Cellist. Mutter: Cellistin. Die 24-Jährige wollte als kleines Kind unbedingt das, was ihre Eltern machen, auch tun. Seitdem sie als Vierjährige ihr erstes Cello unterm Weihnachtsbaum gefunden hat spielt sie ununterbrochen. Bis sie vierzehn war erhielt sie ihren Unterricht von ihrer Mutter. Dann ging sie als Jungstudentin nach Leipzig; anschließend nahm sie ihr Studium in München auf und setzte es in Wien fort. Momentan hat ihr ein privater Förderer ein Cello von Jean Baptiste Vuillaume zur Verfügung gestellt. „Ein Riesenglück“, wie Raphaela Gromes sagt, denn wer im Klassik-Business erfolgreich sein will, müsse ein Instrument einer großen Marke spielen.

Raphaela Gromes spielt außerdem im Duo Element CR mit der Cellistin Cécile Grüebler sowie im Duo Servais mit der Geigerin Amelie Böckheler.

Raphaela Gromes

„Bei mir stand im Haushalt ein Klavier rum, das nicht bespielt wurde. Ich habe immer gehört, dass über uns im Haus jemand den Flohwalzer gespielt hat und nicht gescheit konnte. Mit sechs Jahren habe ich mich dann auch an dieses Klavier gesetzt und habe mir das irgendwie zusammengesucht.“  Der Pianist Julian Riem erhielt seinen ersten Unterricht von seiner Oma. Große Künstlerambitionen hegte er damals noch nicht. Erst als er nach dem Abitur den Wehr- und Zivildienst umgehen wollte kam ihm die Idee sich an der Musikhochschule München zu bewerben. Ein Versuch hat gereicht. Seine Studien setzte er in Paris und Basel fort. Julian Riem spielt im Velit Quartett und im Münchner Horntrio, mit dem er 2012 einen Echo Klassik bekam.

Julian Riem

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