Bläserischer Facettenreichtum

Ein Arrangement – die Bearbeitung eines Musikstücks für eine bestimme Besetzung. Ein Begriff mit einem bitteren Beigeschmack: Kann es an das ursprünglich originale Werk wirklich heranreichen?
Die 1992 geborenen Klarinettisten Daniel und Alexander Gurfinkel („Duo Gurfinkel“) liefern in Zusammenarbeit mit dem Philharmonischen Orchester des Staatstheater Cottbus auf ihrer neuen CD „Duo Gurfinkel: Concertante“ (CAvi) den Beweis.

Introduction et Rondo Capriccioso, Op. 28 von Camille Saint-Saens ist das erste Werk auf der CD. Im Original eines der bekanntesten Werke für Violine solo mit Orchester. Saint-Saens war bei diesem Konzert besonders darauf bedacht, den Solisten wirkungsvoll in Szene zu setzen. Der Orchesterpart ist als reine Begleitung gedacht, mal spielt es auch eine kurze Überleitung oder stellt einen neuen musikalischen Gedanken vor.
Das auf der Aufnahme gespielte Arrangement dieses Werkes scheint fast eigens auf die Gurfinkel-Brüder zugeschnitten worden zu sein: Dass es sich bei dem Stück eigentlich um ein Konzert nur für ein Soloinstrument und dann auch noch ein Streichinstrument handelt, ist nicht hörbar. Die beiden Solisten scheinen zu einer Stimme zu verschmelzen; musikalische Phrasen werden sich punktgenau zugeworfen, sodass der Melodiefluss niemals abbricht.
Mit weicher Klangfarbe, aber ebenso genauer präziser technischer Brillanz geben die Solisten dem Werk mit den sehr unterschiedlichen Charakteren zu jedem Zeitpunkt genau das, was es braucht.
Dennoch finden sie sich bei Tutti-Stellen auch gut in den Orchesterklang des Philharmonischen Orchesters des Staatstheater Cottbus ein, das den zwei Brüdern aber ebenso genug Raum gibt, um solistisch zu strahlen.

Mit dem Duo Concertant, Op. 33 von Carl Baermann und In Convego, Op. 76 von Amilcare Ponchielli widmen sich die Musiker aber ebenfalls Werken, die in ihrer Originalbesetzung schon für zwei Klarinetten geschrieben wurden, bei denen das Klavier jedoch durch das Symphonieorchester ersetzt wurde. Auch hierbei handelt es sich um zwei Werke, die jeweils viele unterschiedliche Wesensmerkmale aufweisen. Bei dem Duo Concertant müssen die Brüder mal eine sehr flinke Zunge beweisen, dann jedoch einen verspielten Charakter aufzeigen mit vielen Trillern und Vorschlägen und ein paar Takte weiter eine zarte leise Melodie, beginnend in der Begleitung des Symphonieorchesters, weiterführen.
Ähnliche Ansprüche hat auch das Werk In Convego. Dargestellt wird ein Rendezvous zweier Liebenden. Zunächst verhalten sich beide schüchtern, wissen noch nicht so wirklich, miteinander umzugehen. Man wagt sich vorsichtig an den anderen heran. Doch dann tauen beide auf, die Musik wird verspielter, lebendiger. Am Ende wird es aber eben doch mehr als nur ein lockerer Flirt, die beiden Solisten treten in einen noch stärkeren Dialog zueinander.

Mit dem Arrangement Carmen Fantasia wagen sich die Brüder an eine der meist aufgeführtesten Opern weltweit. Dieses Arrangement erinnert an eine Art „Medley“, in denen die bekanntesten musikalischen Motive der Oper verarbeitet wurden. Die spanische Leidenschaft wird beim Zuhören fast spürbar. Jedes einzelne Thema wird musikalisch umspielt mit schnellen Läufen, Trillern und Gegenbewegungen der beiden Solisten. So virtuos hat man die bekannten Motive selten gehört. Doch auch die Solisten des Philharmonischen Orchesters des Staatstheater Cottbus zeigen sich von ihrer besten Seite und gestalten jegliches Solo mit hoher musikalischer Intensität. Eine angenehm erfrischende Interpretation einer Musik, die selbst „Nicht-Klassik-Fans“ im Ohr hängen bleibt, sobald man sie einmal gehört hat.

Auch mit den beiden letzten Werken Suite from Romeo and Juliet von Sergei Prokofiev und Phantasy on the Theme of Rhapsody in Blue von George Gershwin widmet sich das Gurfinkel-Duo Klassikern der Musikgeschichte. Romeo and Juliet – das längste und bekannteste Ballett Prokofievs. Auch bei diesem Arrangement handelt es sich um eine Zusammenstellung der musikalischen Höhepunkte des Balletts. Viele kleine musikalische Puzzleteile mit unterschiedlichen Charakteren und Motiven ergeben zusammengefügt in diesem Falle ein gelungenes großes Ganzes.

Mit einem Arrangement von Gershwins Rhapsody in Blue gehen die Musiker zum Abschluss über in den Jazz, der Hörer bekommt fast das Gefühl eines „Rausschmeißers“. Wäre das Programm der CD auch ein Konzertprogramm, wäre dies die passende Zugabe, um die Zuschauer beschwingt und zufrieden aus dem Saal gehen zu lassen.
Hier beweisen die Brüder, dass sie nicht nur die „klassische Klarinette“ bestens beherrschen, sondern dass ihnen auch die typischen bläserischen Besonderheiten des Jazz wie Flatterzunge, glissando und viele Vorschläge nicht schwerfallen. Doch auch hier geht trotz der Blues-Harmoniken und den durchaus verschachtelten Jazz-Rhythmen ihr weicher Klarinettenklang nicht verloren.

Daniel und Alexander Gurfinkel zeigen bis zuletzt die Vielseitigkeit ihres Instruments auf und beweisen auf dieser hörenswerten Aufnahme, dass Arrangements von großen orchestralen Werken und Stücken, die ursprünglich nicht für Klarinette geschrieben wurden, dem Originalwerk in nichts nachstehen müssen.

Fotocredits:

Beitragsbilder: Avi-music

Hintergrundbild: Klarinette – Steffen Zahn / www.flickr.com / CC BY 2.0

Tags in diesem Beitrag

Beitrag jetzt teilen